Fotobücher

2x Französische Klassiker im Buch: Eugene Atget und Brassai

Eugene Atget – Retrospektive (2007)

Atget (12.2.1857 – 1927) hat über 8000 Negative hinterlassen. Aufgrund des Engagements von Berenice Abott befinden sich erhebliche Teile im MoMA in New York.

Fotografierte Paris in umfangreichen Serien.

Das verschwindende Paris, Details (Schilder…), Kleingewerbetreibende, Schaufenster, …

Diskussion, ob Atget Künstler oder kommerzieller Auftragsfotograf war.

 

Brassai – Paris, Taschen-Verlag

Brassai (1899 -1984)

Fotos von Paris bei Tag und Nacht, Rotlichtmilieu, Grafittis

 

 

Joel Sternfeld: Campagna Romana – 1992

Ein Amerikaner in Italien.

Sehr aufwändig gedruckter Bildband.

Landschaften und Menschen überwiegend in den südwestlichen Vororten von Rom – vor allem entlang des Aquädukts und der Via Appia. Ausklapp-Panoramen über bis zu 5 Bilder – von denen oft jedes Teilbild für sich stehen könnte.

 

„The Practice of Contemplative Photography“ Andy Karr & Michael Wood

Draussen regnet es. Sehen wir die Regentropfen, die das Glas herunterlaufen, die Reflexionen in den Pfützen, die bunten Farbtupfer einzelner  Regenschirme – oder sehen wir nur “schlechtes Wetter”? Mit diesen Gedanken beginnt das Buch. Mit den endlosen Möglichkeiten

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Vivian Maier – Street Photographer

Habe mir nun endlich das Buch über Vivian Maier zugelegt. Was soll man sagen? Beeindruckend. Die Bilder sind wie Geoff Dyer in seinem Vorwort sagt „visuelle Echos“ für uns. Da Vivian Maier zu ihren Lebzeiten keine Bilder publizierte, konnte sie nicht „stilbildend“ wirken. Wir reflektieren ihre Bilder an anderen Zeitgenossen und fragen uns, ob sie von deren Werk wusste.
Aber – egal. Die Bilder haben ihre eigene Qualität und brauchen keine anderen als Referenz. Jedes mal, wenn ich das Buch zur Hand nehme fallen mir neue Dinge auf. Details, Blickwinkel – immer wieder ein Vergnügen.

Hinzugefügt April 2015:
Links zu Vivian Maier:
Vivianmaier.com
artsy.net

Zweimal John Szarkoswky

John Szarkowsky (1925-2007) war Kurator am Museum of Modern Art und Fotograf.

„The Photographer’s Eye“ erschien erstmals 1966 und bezieht sich auf eine von Szarkowsky 1964 kuratierte Ausstellung im MoMA. Die Zeitlosigkeit des Inhalts erkennt man vielleicht schon daran, dass 2009 die vierte Auflage erschienen ist. Das Studium der photographischen Form muss – in den Augen des Autors – die „fine art“ Tradition  und die funktionale Tradition als eng voneinander abhängige Aspekte einer einzigen Geschichte betrachten.  Das fundamental neue und andere in der Photographie im Gegensatz zur Malerei zeigt sich in der – leider kaum übersetzbaren – Formulierung „paintings were made but pictures were taken“. Die technisch immer leichter zu handhabende und immer preiswertere Photographie brachte es mit sich, dass auch immer scheinbar(!) belangloseren Dingen und Menschen fotografische Aufmerksamkeit zu Teil wurde. Erst seit gut 100 Jahren weiß auch der „einfache“ Mensch wie seine persönlichen Vorfahren ausgesehen haben!

Szarkowsky gruppiert die Werke in seinem Buch nicht in zeitlicher Reihenfolge, sondern nach fünf Aspekten, die „die Photographie“ charakterisieren und ein Teil ihres spezifischen Vokabulars darstellen:

  1. „das Ding an sich“
  2. das Detail,
  3. der Ausschnitt
  4. die Zeit
  5. der Aufnahmestandpunkt

Zu 1: die Photographie verändert die Wahrnehmung. Der Fotograf muss nicht nur sein Motiv sehen, er muss sehen, wie sein Motiv auf dem Foto aussehen wird.

Zu 2: Das Foto „erzählt“ keine Geschichte. Es dokumentiert Situationen, deren Zustandekommen der Betrachter mit einer „Geschichte“ erklärt. Indem das Foto Details in den Fokus rückt, weißt es ihnen eine besondere Bedeutung zu, die der Betrachter interpretiert. Wenn Bilder schon nicht als Geschichten gelesen werden können, dann können sie als Symbole gelesen werden.

Zu 3: Der vom Fotografen gewählte Ausschnitt begrenzt die Welt, erzeugt aus dem Kontinuum ein „innen“ und „aussen“. Durch die Wahl des Ausschnitts werden Objekte neu zueinander in Beziehung gesetzt. Für den Fotografen wird die Welt zu einer unendlichen Folge von Ausschnitten (oder Kompositionen).

Zu 4: Es gibt keine „Moment-„Aufnahme. Jedes Foto hat eine endliche (längere oder kürzere) Belichtungszeit. Und es beschreibt nur, was exakt während dieser Zeit geschah. Hierher gehört auch der „entscheidende Moment“ Henry Cartier-Bressons: nicht unbedingt der Höhepunkt einer Situation, sondern der Moment, in dem sich der Fluss aus Formen und Muster zu Balance, Klarheit und Ordnung findet: aus einer Aufnahme wird ein Bild.

Zu 5: Selten kann der Fotograf sein Motiv bewegen, um es ideal aufzunehmen. Meist muss sich der Fotograf bewegen. Er fotografiert von oben, von unten, oft gezwungener maßen zu nah oder zu weit. Dennoch kann er eventuell nicht alles zeigen oder nur aus einer ungünstigen Blickrichtung.

 

„Looking at Photographs“ präsentiert 100 Bilder aus der Sammlung des MoMA. Das Buch begleitete eine Ausstellung von 1973 und ist 2009 in der 8. Auflage erschienen. Das erste Ziel des Buches ist „delection“ wie der Autor im Vorwort schreibt – und diese ist definitiv garantiert. Nicht nur wegen der Bilder aus der gesamten Zeitspanne der Fotografie, sondern auch und besonders wegen der unterhaltsamen, pointierten und informativen Texte, die jedem einzelnen Bild beigestellt sind. So ist das Werk nicht nur eine an den Bildbeispielen festgemachte Kunstgeschichte des Mediums, es ist auch und mehr noch eine Schule des Sehens.

Carl Strüwe – Mikrofotografie als Obsession

Über den – ausgesprochen interessanten – Blog von Timm Starl bin ich auf das Buch „Mikrofotografie als Obsession“ über das fotografische Werk von Carl Strüwe aufmerksam geworden. Die von Gottfried Jäger verfasste Arbeit ist ursprünglich seine Dissertation (manchmal merkt man das auch recht deutlich an einer gewissen sprachlichen Sperrigkeit). Andererseits bietet das Buch einen umfassenden Überblick über das Werk Strüwes (1898 – 1988), nicht nur seine Mikrofotografie, sondern auch seine Bilder zum Themenkomplex Hohenstaufen in Italien, seine Reisebilder aus Nordafrika, wie auch seine Grafiken, Zeichnungen und Gemälde.

Faszinierend sind aber vor allem die Mikrofotografien, die der Fotograf selbst auch jenseits der puren Dokumentation sieht und durch seine Betitelung zeigt, dass es ihm um die Darstellung von Wirklichkeiten jenseits des unmittelbaren Sujets geht. Es sind „Urbilder“ – ein Begriff, den der Fotograf selbst immer wieder verwendet. Hier helfen auch die weitergehenden Erläuterungen Gottfried Jägers, der zum einen das Werk des ihm persönlich gut vertrauten Künstlers in einen weiteren Kontext stellt, gleichzeitig aber auch das Ringen des Fotografen um Anerkennung seines Werkes.

Das Bedauern, dass der Band nicht mehr großformatige Abbildungen des Fotografen enthält, wird allerdings mehr als kompensiert durch das vollständige Werksverzeichnis, das alle(!) Bilder, wenn auch nur im Kleinformat, enthält.

 

Über Bäume und Gestein – Albert Renger-Patzsch in der Pinakothek der Moderne

„Über Bäume und Gestein, Albert Renger-Patzsch und Ernst Jünger, Stiftung Ann und Jürgen Wilde“ – Pinakothek der Moderne, bis 26. Februar 2012

Im gleichen Stockwerk der Pinakothek der Moderne dann noch ein Klassiker: Alfred Renger-Patzsch. Die beiden Werkgruppen „Bäume“(1962)  und „Gestein“(1966) hängen so versteckt, dass selbst die Dame an der Infothek erst längere Zeit ihren Raumplan studieren musste, bis sie mir den Weg weisen konnte. Die kleine Suche hat sich aber definitiv gelohnt. Zu sehen sind zu jeder Werkgruppe jeweils etwa ein Dutzend feine Schwarz-Weiß-Prints aus der Sammlung Ann und Jürgen Wilde, begleitet von Dokumenten, etwa Auszügen aus dem regen Schriftwechsel zwischen Renger-Patzsch und dem Schriftsteller Ernst Jünger.

Die beiden Bildserien stellen das Alterswerk des als Industriefotograf der „Neuen Sachlichkeit“ berühmt gewordenen Künstlers dar. Die Serie „Gestein“ erschien 1966 – dem Todesjahr Renger-Patzschs. Es sind kraftvolle Bilder, in denen sich der Fotograf auf die Suche nach dem Wesen „des Baumes“ und „des Gesteins“ macht. Mit einem – vielleicht typisch Deutschen – Ansatz sucht er bei der Gesteinsserie nach möglichst beispielhaften Sedimenten, Metamorphiten, Magmatiten usw. ohne dabei aber den künstlerischen Anspruch aufzugeben. Im besten Sinne dokumentarisch könnten die Bilder ein geologisches Lehrbuch illustrieren – gleichzeitig vermitteln sie aber auch die monumentale und zeitlose Kraft, die von den Sujets ausgeht.

„Das „Gestein“ wird wohl meine letzte größere Arbeit gewesen sein“, schreibt Renger-Patzsch an Ernst Jünger. „In diesen und den „Bäumen“ habe ich gewissermaßen die Summe meiner Existenz gezogen.“

 

Im Nachgang habe ich mir antiquarisch das Originalbuch „Gestein“ gekauft. Eine Augenweide, egal, ob man die Bilder nun mit dem Blick des Geowissenschaftlers betrachtet, oder mit dem des Fotografen. Und der Text von Ernst Jünger gehört zum brillantesten und intelligentesten was ich zu diesem Thema je gelesen habe.

Incedibile -Unglaublich

Samstag im Münchner Stadtmuseum – und das auch noch bei freiem Eintritt.

„Incredibile – Unglaublich“ ist die Begleitausstellung zum diesjährigen Fotodoks-Festival (das vom 12.-16. Oktober stattgefunden hat). Der italienisch-deutsche Titel verweist auf das diesjährige Gastland des Festivals Italien.

Im offiziellen Text zur Ausstellung heißt es: Die präsentierten Arbeiten bewegen sich zwischen Sozialreportage, Fotojournalismus und Medienreflexion, zwischen entfernten Krisenregionen und der unmittelbaren Umgebung. Sie beleuchten das Zeitgeschehen, wie auch den alltäglichen Wahnsinn – und ermöglichen so einen Blick auf die Dokumentarfotografie im Spannungsverhältnis von Glaubwürdigkeit und Sensation.

Ich habe den Fehler gemacht, beim Betreten der Ausstellung das Informationsblatt zu übersehen, das unscheinbar neben der Tür auflag (das zeitgleich aber wohl einige andere Besucher ebenfalls übersehen hatten). So fand man an den Wänden praktisch überhaupt keine Info zum jeweiligen Projekt. Grundsätzlich ist es natürlich auch interessant, den Bildern auf diese Weise ohne „Vorinformation“ zu begegnen (ok. einige Bildstrecken kannte ich schon…). Vieles erschließt sich aber halt doch erst nach einer gewissen Zusatzinformation. Im wahrsten Sinne des Wortes incredibile ist das Engagement, das die Bildautoren ihren Themen entgegenbringen. Als Betrachter gewinnt man allerdings auch einen sehr speziellen Eindruck welche Themen als Ausstellungsrelevant angesehen werden: Da dreht es sich doch ganz überwiegend um vom Krieg gezeichnete Menschen und Orte, Verbrechen, Naturkatastrophen und soziale Problemsituationen. Wie gesagt, die fotografische Aufarbeitung der Themen ist häufig beeindruckend (Kai Wiedenhöfers sensible Großportraits von Kriegsopfern, Alberto Dede’s Bildvergleich von L’Aquila in dem er Bilder aus Google-Streetview seinen heutigen Bildern entgegensetzt). Dennoch gibt es neben diesen Themen vielleicht doch auch noch anderes auf dieser Welt, was dokumentierenswert ist. Und so ist auch mein Favorit dieser Ausstellung die Serie von Maurizio Cogliandro, der uns in extrem zurückhaltenden, reduzierten Bildern das Leben in einem Zisterzienserkloster in den italienischen Alpen nahebringt.

Ein ganz eigenes Kapitel ist der zur Ausstellung erschienene Katalog: Der ist nun wirklich „unglaublich“:

Der schmale Textteil (dt./ital.) ist als Extraheft fein säuberlich von den Bildern getrennt.

Im „Bildkatalog“ sind die Werke der Ausstellung dann ohne jede sinnvolle Reihung wild durcheinander und natürlich auch ohne Autorennennung „eingefüllt“. Als Klammer zu Beginn und Ende dient jeweils eine Doppelseite auf der in Blocklettern „Bunga“ steht. Bilder von Krieg und Opfern der Camorra zwischen Bunga-Bunga einzurahmen ist nicht originell sondern einfach nur geschmacklos. Aber die Katalogmacher haben dafür jede Seite vorperforiert, damit man die Bilder leicht aus dieser misslichen Lage befreien kann.  Man kann dann die Bilder heraustrennen und wieder zu ihren ursprünglichen Serien zusammensetzen (sofern man 2 Kataloge gekauft hat…). Manchmal muss man halt zwanghaft originell sein. Incredibile.

Vivian Meier – Amerikahaus

Noch bis 9. Dezember ist im Münchner Amerikahaus die erste Ausstellung mit Bildern von Vivian Maier zu sehen. Gezeigt werden 48 Bilder überwiegend aus den fünfziger und sechziger Jahren.

Die Entdeckung von 100.000 Negativen der Fotografin bei einer Zwangsversteigerung 2007 war eine der großen Sensationen der dokumentarischen Fotografie der letzten Jahrzehnte (siehe z.B. www.vivianmaier.com ). Sie gilt seither als eine der wichtigsten Street-Fotografinnen der USA.

Die Ausstellung im Amerikahaus beginnt mit einem Selbstportrait in New York vom 18. Oktober 1953 (http://www.vivianmaier.com/portfolios/self-portraits/?show=thumbnails&pid=259). Ein starkes Bild mit einer dramatischen Lichtführung, das eine hochkonzentrierte junge Frau zeigt, die sich im Schatten verbirgt.

Die folgenden Bilder sind eine Tour d’horizon durch die Bilderwelt der Fotografin – überwiegend Aufnahmen aus Chicago und New York, aber auch einzelne Bilder von ihren Reisen.

Den Abschluss bilden einige virtuose Farbaufnahmen aus den siebziger Jahren.

Ich fand es äußerst interessant nun selbst einen unmittelbaren Blick auf eine – wenn auch kleine –  Auswahl der Bilder Vivian Maiers zu werfen. Hatte man doch bei den vielen Medienberichten oftmals stark den Eindruck, dass hier die Sensation der Entdeckungsgeschichte beinahe wichtiger war als die Bilder selbst.

Und – mein persönlicher Eindruck: die Bilder haben wirklich Kraft, manche gehen direkt ins Herz. Auch wenn einen sicherlich nicht alle Bilder gleichermaßen  berühren (meine persönlichen Favoriten: ). Man sieht, hier ist eine Könnerin am Werk (und zwar nicht nur in Schwarz-Weiß), was aber noch viel wichtiger ist, hier fotografiert jemand mit einer Lust am schauen und tiefen Zuneigung zur Welt. Egal ob Reiche oder Arme auf ihren Bildern zu sehen sind: immer sind die Aufnahmen „auf dem Punkt“, aber nie wird jemand lächerlich gemacht oder bloßgestellt. Man verlässt die Ausstellung mit einer guten Grundstimmung – und das ist heute schon viel.

Ach ja – einen Wermutstropfen gibt es doch: man würde so gerne das Buch über Vivian Maier mitnehmen – wenn es denn schon erschienen wäre…

Nachtrag April 2015: Einen schönen Überblick über die Arbeiten von Vivian Maier findet man auch auf Artsy.net