Bis 26.2.2012 ist in der Neuen Pinakothek noch die Ausstellung „Neapel und der Süden – Fotografien 1846 bis 1900 /Sammlung Siegert“ zu sehen. Wenn man bedenkt, dass die erste Photographie von Niepce im Jahre 1827 angefertigt wurde und das verbesserte Verfahren 1837 von Daguerre stammt, kann man ermessen, mit welcher Geschwindigkeit das Verfahren sich ausbreitete. Viele verschiedene Methoden kamen zum Einsatz und die Ausstellung bietet dem Phototechnik-Fan einen guten Überblick und unmittelbaren Vergleich. Neapel war damals im touristischen Pflichtprogramm der „Grand Tour“ und die Bilder dienten sehr früh schon als beliebtes Souvenir. Schon damals wurden die gleichen Klischees bedient, die auch heutige Touristen mit dem Süden Italiens verbinden: traumhafte Landschaften, naive Sinnlichkeit, Kleinkriminalität und Spaghetti.
Zur Verbreitung des Klischees dienten häufig inszenierte „Straßenszenen“.
Ganz in der Tradition der Postkartenfotografie steht eine Ansicht des Cafes „Zum Kater Hiddigeigei“(!) auf Capri von Giorgio Sommer (1880). Dieser aus Frankfurt zugezogene Fotograf betrieb eines der wichtigsten Fotostudios in Neapel, von ihm stammt auch der Hauptteil der Exponate.
Für mich viel beeindruckender sind die dokumentarischen Aufnahmen Palermos nach der Einnahme durch die Truppen Garibaldis, eine Bildsequenz vom ausbrechenden Vesuv und schließlich Fotos von den Zerstörungen nach dem Erdbeben 1883 in Casamicciola/Ischia. Ein Schmankerl am Rande: ein Foto der Seilergrotte in Syrakus um 1870 von Giorgio Sommer – fast der gleiche Ausschnitt des selben Motivs ist derzeit zeitgleich nur wenige hundert Meter weiter in der Ausstellung von Renger-Patzsch in der Pinakothek der Moderne zu sehen!
Zur Ausstellung ist ein Katalog beim renommierten Verlag Hatje Cantz erschienen. Leider bringen – trotz anerkannt guter Druckqualität – die Bilder darin den Charme der Originale überhaupt nicht wieder. Man hätte hier auf das glänzende Druckpapier verzichten müssen.