November 2021

Eindrücke von der Paris Photo 2021

Paris Photo 2021

Nach einem Jahr Corona-Pause fand dieses Jahr wieder die Messe ParisPhoto statt.
Da das Grand Palais, der bisherige Veranstaltungsort, grundlegend saniert werden muss, erfolgte ein Umzug in einen temporären Bau, das „Grand Palais Ephemere“. Ein durchaus interessantes Gebäude am Marsfeld, gegenüber der Ecole Militaire und damit direkt in der Sichtachse zum Eiffelturm.
Diese spektakuläre Lage kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Bau erheblich kleiner ist, als der alte Veranstaltungsort, was sich in deutlich weniger ausstellenden Galerien widerspiegelte. Zudem war zeitweise doch ein recht dichtes Gedränge, was trotz strenger G2-Regel und konsequenter Eingangskontrolle etwas – nun ja – beunruhigte. Zum Wesentlichen: Was gab es fotografisch zu sehen? Nun, viele der großen Galerien setzten auf die großen und bekannten Namen (deren Arbeiten dann auch mit entsprechenden Preisen verbunden sind). Dennoch macht es natürlich Spaß, Originale etwa von Kertész oder Robert Frank aus einer Distanz zu betrachten, bei der in jedem Museum längst die Alarmsirenen schrillen.
Besonders gut gefallen haben mir die Solo-Shows von Herbert List bei der Galerie Karsten Greve und die Präsentation von Arbeiten von Cy Twombly bei Gargosian. Auch die Arbeiten der Serie „Cut Outs“ von Jessica Backhaus bei der Morat Galerie waren für mich ein Highlight.
Bei den „neueren“ Arbeiten fällt auf, dass ein starker Trend zur Individualisierung der Werke zu beobachten ist. Da werden die Bilder zerschnitten, verkohlt, bestickt, vernäht, auf Metall oder Beton geprintet oder auch mitsamt dem Rahmen zersägt und neu zusammengesetzt. Manchmal durchaus sinnstiftend, manchmal eher nicht. Der schon länger zu beobachtende Trend zu alten Verfahren wie Cyanotypie, Carbondruck etc. ist weiter zu beobachten. Andererseits finden sich viele sehr farbintensive Werke, die ihre Entstehung durch umfangreiche Bildmanipulationen am Rechner geradezu zum Thema machten.
Noch kein starker Trend, aber doch vermehrt werden Arbeiten gezeigt, die sich mit dem Thema Umwelt und Klima beschäftigen. Derzeit scheint das aber im Kunstbereich von etablierten Fotografen wie Salgado oder Burtynsky abgedeckt zu werden.
Sehr beeindruckend waren die Objekt-Arbeiten der Gewinnerin der diesjährigen BMW-Art-and-Culture Residency Almudena Romero. Für „The Pigment Change“ nutzt die Künstlerin photographische Prozesse in lebenden Pflanzen wie etwa die Photosynthese, um etwa auf Blättern und Gräsern fragile fotografische Abbilder erscheinen zu lassen. Eine sehr emotionale und intensive Verbindung von Natur und Fotografie.
Auch außerhalb der Fotomesse gab es in Paris natürlich wieder jede Menge Fotokunst zu sehen, wenn auch die sonst im Carrousel du Louvre parallel stattfindende Messe „FotoFever“ auf das Frühjahr 2022 verschoben wurde. Gerade im Viertel Saint Germain des Pres ist es immer wieder ein Vergnügen, von einer Galerie zur nächsten zu streunen.

Bill Brandt im Kunstfoyer der Bayerischen Versicherungskammer

Beinahe übersehen hätte ich die Ausstellung von Bill Brandt im Kunstfoyer der Versicherungskammer. Die Bilder dieses Klassikers sind noch bis zum 28. November 2021 zu sehen. Der 1904 in Hamburg geborene und 1983 in London verstorbene Bill Brandt wird oft in einem Atemzug mit Fotografen wie Walker Evans oder Henri Cartier-Bresson genannt. Beeindruckend ist die Breite seinen Oeuvres: Von surrealistischen Arbeiten (er arbeitete in Paris mit Man Ray zusammen) über die journalistischen, teilweise sozialkritischen Arbeiten in der Vor- und Kriegszeit in England bis hin zu den berühmten Portrait- und Akt-Fotografien der 50er und 60er Jahre. Die Ausstellung zeigt etwa 200 Aufnahmen – alles original Vintage-Prints im Format 20 x 25 cm! Sehr interessant dabei die Gegenüberstellung sehr unterschiedlicher – von Brandt selbst angefertigter – Prints des selben Motivs und der damit verbundenen Frage nach dem „authentischsten“ Abzug.
Hierzu ein in der Ausstellung wiedergegebenes längeres Zitat von Bill Brandt: „Regeln und Konventionen interessieren mich nicht. Fotografie ist ja kein Sport. … Was zählt ist das Ergebnis, egal wie es zustande kommt. … Photographen sollten ihrem eigenen Urteil folgen und nicht den Marotten und Diktaten anderer. …
Für den Photographen kommt es darauf an, genau zu wissen, welche Auswirkungen seine Objektive haben. Das Objektiv ist sein Auge, und es kann seine Bilder gelingen lassen oder ruinieren. Von entscheidendem Vorteil ist auch ein Gefühl für Komposition. Ich denke, das ist vor allem eine Frage des Instinkts. Das lässt sich vielleicht entwickeln, aber ich bezweifle, dass es sich erlernen lässt. Um etwas Optimales zu schaffen, muss der junge Photograph selber herausfinden, was ihn visuell wirklich begeistert. Er muss seine eigene Welt entdecken.“